Reportage: Die Etablierung der ASV-Versorgung

Auf dem Weg zum ASV-Team: Pionierarbeit, die sich lohnt.

Dr. Heinrich Miks, Internist/Gastroenterologe,
Albert Grote-Metke, Hämatologe/Onkologe
aus Hamm in Westfalen

Die ersten sechs Jahre seit der Einführung der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung (ASV) sind geschafft. Zwei, die sich im westfälisch-lippischen Raum zu den ASV-Pionieren zählen dürfen, sind der Internist und Gastroenterologe Dr. Heinrich Miks und der Hämatologe und Onkologe Albert Grote-Metke
aus Hamm in Westfalen.

 

ASV? Sie selbst habe man nicht überzeugen müssen. Die interdisziplinäre und sektorenübergreifende Zusammenarbeit bei der Diagnostik und Behandlung von Patienten seien schon immer ihr Ding gewesen. Wenn die Internisten darauf angesprochen werden, sind sie kaum zu bremsen. Ob es die Überwindung von Sektorengrenzen, die bessere Zusammenarbeit der zuweisenden und mitbehandelnden ärztlichen Kollegen oder das meist große Vertrauen von Patienten und Angehörigen in die Entscheidungen von ASV-Ärzten ist – die positiven Seiten überwiegen und ein Zurück hinter diese 2012 in Kraft getretene Versorgungsstruktur können sie sich nicht vorstellen. Wohl wissend, dass es im Kreis
der niedergelassenen Ärzteschaft so manchen Zweifler gibt und es noch vieler Überzeugungsarbeit bedarf, um die ASV „salonfähig“ zu machen.
Wie immer, wenn etwas Neues etabliert wird? „Ja“, sagt Miks, der mit seinen 66 Jahren auf so manche Veränderung in der ambulanten Versorgungsstruktur zurückblicken kann. Schließlich hat er selbst viele Jahre in seinem Berufsverband und in verschiedenen Funktionen seiner Heimat-KV Westfalen-Lippe mitgearbeitet und Vorbehalte auch auf den „oberen Etagen“ erlebt: „Glauben Sie nicht, dass wir mit der ASV-Versorgung dort auf Begeisterung gestoßen wären. Wenn Sie eine Idee haben, müssen Sie diese häufig erst einmal gegen Widerstand durchsetzen. Und das geht nicht ohne Enthusiasmus.“

Zusammenarbeit stärken

In Hamm haben sie ein ASV-Team für die Behandlung von gastrointestinalen Tumoren auf die Beine gestellt, in dem die Bereiche Gastroenterologie, Hämatologie, Viszeralchirurgie und Strahlentherapie sowie die nach den ASV-Richtlinien „hinzuzuziehenden Bereiche“ vertreten sind. Miks leitet das ASV-Team und wechselt sich in dieser Funktion jährlich mit seinem internistischen Kollegen Grote-Metke, ab. Sie waren hier das erste ASV-Team und hatten folglich keine Vorbilder, auf die sie beim Aufbau einer eigenen Struktur zurückgreifen konnten – dafür aber reichlich Erfahrung in der interdisziplinären Zusammenarbeit – gerade auch bei der Betreuung von Krebspatienten. Grote-Metke sieht die Versorgung im ASV-Rahmen auch deswegen als Fortschritt, weil hier die Kommunikation mit den beteiligten Ärzten und mit den Patienten verbindlich geregelt ist, „aber auch, weil wir die Patienten in unserem Fach vergleichsweise spät sehen. Da ist es gut, uns über die ASV als Zahnrad im Räderwerk der Versorgungslandschaft definieren zu können“.

Vorbehalte ausräumen

Fortschritte auch in der Zusammenarbeit mit den Krankenhäusern? „Ja“, sagt Miks, „die Zusammenarbeit mit unseren Kollegen im stationären Bereich ist jetzt viel entspannter als noch zu den Anfangszeiten des Paragrafen 116b im Fünften Sozialgesetzbuch. Damals konnten die Kliniken quasi allein entscheiden, welche Leistungen sie erbringen.“ Die Internisten betonen zwar, auch früher schon gut mit den Kliniken zusammengearbeitet zu haben, „aber“, so Miks, „das war nicht überall so. Der vormalige ‚116b‘ war für die Krankenhäuser schließlich interessant, weil sie damit auch solche ambulanten Leistungen erbringen konnten, für die sie sonst keine Zulassung hatten.“ Hingegen hätten die Krankenkassen der neuen Versorgungsform von Anfang an kritisch gegenübergestanden, weil sie befürchteten, dass die ASV teuer für sie würde. Miks: „Ich bin aber nach wie vor überzeugt davon, dass die ASV Kosten sparen kann.“

Was beide ASVler ansprechen, war in vielen Regionen der Republik, in der KV-Landschaft ebenso wie in Berufsverbänden, ein großer Aufreger – und letztlich der Auslöser für den seit 2012 reformierten ‚116b‘, mit dem die niedergelassenen Fachärzte dann doch ins Boot der spezialfachärztlichen Versorgung kamen. Warum gibt es dennoch Vorbehalte gegen die ASV im ambulanten Bereich? Dr. Miks glaubt: „Es ist nicht so sehr ein grundsätzlicher Widerstand gegen die ASV. Viele Kollegen sehen ja auch, dass es dafür zusätzliches Geld gibt. Aber irgendwie sind sie misstrauisch und glauben, dass die Ausgaben für die ASV doch mit dem Gesamtbudget verrechnet werden. Andere haben Angst, dass sie ihre Patienten nach der ASV-Behandlung nicht zurückbekommen.“

„Wenn Sie eine Idee haben, müssen Sie diese häufig erst einmal gegen Widerstand durchsetzen. Und das geht nicht ohne Enthusiasmus.“
Dr. Heinrich Miks

Doch Miks und Grote-Metke sehen vor allem Positives. Mit der steigenden Zahl der ASV-Patienten, die sich in dieser Versorgungsform gut aufgehoben wissen, steigt auch die Zahl der ärztlichen Kolleginnen und Kollegen, die sich von einer Zusammenarbeit mit einem ASV-Team überzeugen lassen. Heinrich Miks: „Das spricht sich herum. Letztlich sehen die Kollegen ja auch, wie viel Erfahrung in den einzelnen beteiligten Fächern der ASV vorhanden ist.“

Patienten profitieren

Und wichtig ist ihm die Patientenperspektive: „Ich lese häufig in den Augen der Patienten, wie dankbar sie sind, dass wir sie in der ASV-Behandlungsstruktur begleiten. Auch die Angehörigen fühlen sich sicherer. Es ist schön zu erleben, in welch großem Umfang Behandlungsschritte, die wir im ASV-Team erarbeitet haben, akzeptiert werden.“ Mit ihrer Arbeitsweise kämen die ASV-Ärzte schließlich auch dem Wunsch vieler Patienten nach, sich aus mehreren Quellen informieren zu können. Dr. Miks: „Machen wir uns nichts vor. Früher sind chronisch schwer kranke Patienten oft unkoordiniert zwischen den Sektoren umhergeirrt. Ich denke, die ASV zeigt beeindruckend, wie erfolgreich eine koordinierte Behandlung aussehen kann.“

 

Reinhold Schlitt